Vor 70 Jahren endete der 2. Weltkrieg – auch Lehnin blieb vom Krieg nicht verschont
Ab 1933 schoben sich auch in Lehnin die Hitlerbefürworter mehr und mehr in den Vordergrund. So wurde am 30.7.1933 bei der NSDAP-Ortsgruppe Lehnin eine feierliche Fahnenweihe durchgeführt. Bei der Reichstagswahl stimmten 98,7 % der wahlberechtigten Lehniner für Hitler. In der Hauptstraße befand sich der „braune Laden“, der sämtlichen Nazi – Bedarf im Angebot hatte.
Nach Ausbruch des 2. Weltkrieges am 1.9.1939 wurde eine Dienststelle des SA-Sturms in der Belziger Straße 8 eingerichtet. Eine weitere Maßnahme war die Installation von 3 neuen Sirenen zur akustischen Warnung und Alarmierung der Lehniner Bevölkerung.
1942 erfolgte die Beschlagnahme des Elisabeth- und des Falkonierhauses für das Deutsche Rote Kreuz zur Einrichtung eines Reservelazarettes.
Da Berlin für Kriegseinrichtungen ein zunehmend unsicherer Standort wurde, beschlagnahmte die SS ein Jahr später weitere Gebäude auf dem Klostergelände, in die das „Reichsamt für chemische Forschung“ (Gebechem) einzog. Von dort aus wurde der Einsatz von KZ-Häftlingen in der kriegswichtigen Industrie gesteuert. Noch weitere 7 Baracken wurden auf dem Klostergelände errichtet.
Gleichzeitig wurde im Keller der Gaststätte „Klosterhof“ ein Luftschutzbunker für 80 Personen eingerichtet.
1944 zog eine Dienststelle der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) in 3 große Räume des Mutterhauses auf dem Klostergelände ein. Wegen drohendem Einmarsch der Roten Armee aus dem Osten wurde das Amt am 12.3.1945 aufgelöst; die dort Bediensteten flohen in Richtung Westen.
Am 27.11.1944 wurde der langjährige Arzt und Leiter des Lehniner Krankenhauses am Gohlitzsee (später Jugendwerkhof), Dr. Johannes Kreiselmaier, als Widerstandskämpfer
im Zuchthaus Brandenburg hingerichtet. Im Zusammenhang mit dem Attentat auf Hitler am 20.7.1944 war er wegen aktiver Mitwisserschaft verhaftet worden.
Am 1.4.1945 wird im Lehniner Luise-Henrietten-Stift ein Krankenhaus gegründet.
180 Verletzte aus Kriegshandlungen werden im Lazarett versorgt.
Am 23.4.1945 gegen Mittag marschierten russische Truppen der 4. Garde-Panzer-Armee in Lehnin ein. Kurz vor 14.00 Uhr rollte der erste russische Panzer auf das Klostergelände. An den Ortsausgängen wurden mehrere Häuser von einmarschierenden Soldaten in Brand gesteckt, so auch das Forsthaus in der damaligen Gartenstraße (heute Emstaler Landstraße), der Wirkungsstätte unseres Heimatdichters Willibald Alexis.
Am 29.4.1945 stoßen nochmals deutsche Truppen der 12. Armee unter General Wenck nach Lehnin vor und liefern sich erbitterte Kämpfe mit den sowjetischen Soldaten. Beim Kampf um Lehnin fielen 20 deutsche und 17 sowjetische Soldaten, die vorerst neben den Straßen begraben wurden (Kaltenhausen, Richtung Nahmitz/Netzen). Die im Stiftskrankenhaus eingelieferten und an ihren schweren Verletzungen oder an tödlichen Krankheiten gestorbenen Menschen wurden in einem Massengrab auf dem Acker, angrenzend an den Schlossgarten auf dem Klostergelände, beigesetzt.
Führende Nazigrößen erschießen, ertränken oder erhängen sich und ihre Familien. Hierbei sollen 7 deutsche Männer, 8 Frauen und 8 Kinder zu Tode gekommen sein.
Am 3.5.1945 sind die Kampfhandlungen in Lehnin beendet.
Von Bomben blieb der Ort verschont. Es herrscht aber große Hungersnot.
Ab Ende Mai verbessert sich die Versorgungslage im Krankenhaus ein wenig; die ortsansässige Molkerei lieferte kleine Mengen an Milch; pro Woche bekam jeder 1 Brot und 250 g Fleisch zugeteilt.
Nach 122 Tagen, am 24. August 1945, wird das Krankenhaus wieder mit Strom versorgt, jedoch häufen sich die täglichen Stromabschaltungen.
Ständig waren Todesfälle auf Grund ansteckender Krankheiten, wie Tuberkulose und Typhus zu verzeichnen.
Nach Eröffnung des neuen Krankenhauses auf dem Klostergelände wird das „alte“ Krankenhaus am Gohlitzsee aufgelöst und bis 1956 als Kinderheim weiter geführt (danach Jugendwerkhof).
Ab 1945 wurden mehrere Lehniner Straßen umbenannt, da die bisherigen Namen nicht mehr zeitgemäß waren:
- die Hindenburgstraße hieß bis 1934 Hauptstraße – nun Friedensstraße
- die Kaiser – Friedrich – Straße wurde in Schulstraße umbenannt, ab 1950 Goethestraße
- die Markgrafenstraße wurde in Bahnhofstraße umbenannt
- die Schützenstraße (Schützenplatz war am Hirseberg) wurde in Lindenstraße umbenannt
- der Adolf – Hitler – Platz wurde in Marktplatz zurück benannt, ab 1950 dann
Otto – Nuschke – Platz und ab 1993 wieder Marktplatz
Nur mit größtem persönlichem Engagement jedes Einzelnen war es möglich, die schlimme Nachkriegszeit einigermaßen zu überstehen, zumal viele Lehniner Männer noch nicht aus der Gefangenschaft zurück gekehrt waren. Wie in anderen deutschen Städten und Dörfern, trafen auch in Lehnin Flüchtlinge aus dem Osten ein. Die Hungers- und Wohnungsnot war entsprechend groß.
Der gesamte Osten Deutschlands, so auch Lehnin, gehörte ab 1945 zur sowjetischen Besatzungszone.
gez. Jürgen Back, Ortschronist
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